Seit ich mich The Content Society (TCS) von Judith Peters angeschlossen habe, erhalte ich regelmäßig thematische Impulse zum Bloggen. Ob ich sie umsetze oder nicht, steht mir vollkommen frei. Der Vorschlag, sich mal wieder mit den eigenen Werten zu beschäftigen, gefiel mir auf Anhieb.
Ich habe eine Liste von persönlichen Werten und ich nutze sie auch in meiner Freiberuflichkeit als Kompass für Entscheidungen und zur Lebensgestaltung. Sich aber auf drei zentrale Werte festzulegen und sie auszuformulieren, war eine Herausforderung. Nur drei Werte?!? Hier ist das Ergebnis meiner Reflexion. Ich bin gespannt auf eure Kommentare.
Mein Wert Nr. 1: Augenhöhe ist für mich ein Muss
Ich hatte immer viel mit Menschen zu tun. Ich komme aus einer großen Familie, wir hatten permanent Besuch aus aller Welt und nicht selten wurde es räumlich eng. Vielleicht war ich deswegen von klein auf eine gute Beobachterin und spürte schnell, dass sich Menschen sehr unterschiedlich begegnen. Zugewandt oder abgewandt. Aufrichtig oder manipulativ. Wertschätzend oder abwertend. Wohlwollend oder missgünstig. Und welche Art von Kontakt ich mir wünschte, war seither klar: Eine Begegnung auf Augenhöhe und mit Respekt. Im Laufe der Jahre hat sich genau dieser Wert zu meinem Haupt-Wert entwickelt und sich immer wieder bestätigt.
Da dieser Wert für mich so grundlegend ist, versuche ich, mich mit Menschen zu umgeben, die diesen Wert nicht nur theoretisch teilen, sondern auch bewusst leben. Oft gelingt mir das. Wie reagiere ich aber, wenn dieser Wert verletzt wird?
- Ich kommuniziere die Bedeutung dieses Wertes für mich nach außen, auch wenn es ungemütlich wird.
- Ich sage „Nein“ zu persönlichen oder beruflichen Beziehungen, in denen mir Augenhöhe und ein ehrlicher Austausch verweigert werden.
- Ich beende Kooperationen, wenn die Arbeitsbedingungen nicht (mehr) stimmen, auch wenn ich lange und regelmäßig für einen Kunden gearbeitet habe.
- Ich gehe im Alltag selbst möglichst klar, achtsam, freundlich und respektvoll mit den Menschen um, mit denen ich zu tun habe. Seien es Projektpartner*innen, Nachbar*innen, Kursteilnehmer*innen, Freund*innen, Straßenbekanntschaften, Erwachsene oder Kinder.
Augenhöhe ist der Schlüssel für jede gute Beziehung. Wichtig ist für mich in diesem Zusammenhang noch der Begriff Autorität. Autorität kann man mit Druck ausüben oder aber mit Überzeugungskraft. Mich faszinieren Menschen, die eine natürliche Autorität und Sanftheit besitzen, die stark sind, ohne hart zu sein. Die es nicht nötig haben, andere Menschen zu drücken, zu demütigen oder durch Machtspiele zu manipulieren. Die durch ihr freundliches Verhalten und eine offene, wertschätzende Haltung das darstellen, was sie sind: GROSS. Solche Menschen sind für mich Vorbilder. An ihnen orientiere ich mich.
Kaum ein Mensch strahlt so viel Präsenz, Milde, Offenheit, Kraft, Weisheit, Mitgefühl und Friedlichkeit aus wie der Dalai Lama. Ohne ihn je persönlich getroffen zu haben, beeindruckt er mich tief. Mir gefällt die Idee, dass in jedem Lebewesen eine Buddha-Natur steckt, egal wie groß die Unterschiede sein mögen. In Situationen, in denen ich Augenhöhe schwierig finde, versuche ich mich daran zu erinnern und nachzujustieren.
Mein Wert Nr. 2: Mut-ich voran
Dass Mut in meine Top 3 gehört, war mir schnell klar. Ich bin keinesfalls angstfrei, aber ich hatte sehr mutige Eltern. Sie waren abenteuerlustig und unerschrocken und gingen kurz nach dem Biafra-Krieg als junges Ehepaar mit einem Säugling für sechs Jahre als medizinische Entwicklungshelfer nach Nigeria. Ob ich mich das so getraut hätte, weiß ich nicht … Mut und Angst gehören zusammen, so viel ist mir heute klar. Als Mut definiere ich, dass ich mich auf den Weg mache, auch wenn ich Angst habe, auch wenn ich nicht weiß, was auf mich zukommt und erstmal alles ordentlich ins Wackeln gerät. Weil ein bestimmter Schritt dran ist, weil er mich voranbringt, weil er mich aus einem Zustand der Starre oder Unzufriedenheit befreit und mich aus meiner Komfortzone herauslöst.
Vor rund drei Jahren hatte ich das Gefühl, ich brauche Impulse, neuen Input, mehr Kultur und ein neues Umfeld. Obwohl ich in meinem Leben bereits etliche Male umgezogen bin und an meinem Wohnort gut vernetzt war, habe ich meine Kisten gepackt und bin in eine größere Stadt gezogen. War ich auf der Flucht? Nein. Hatte ich ein Gefühl von Unsicherheit? Natürlich. Hatte ich Sorge? Nicht wirklich. Ich habe zurückgeblickt und mich erinnert: Jedes Mal, wenn ich mich für einen großen Schritt entschieden habe, öffneten sich Türen für mich. Mal schneller, mal langsamer, oft dort, wo ich es am wenigsten erwartet hätte. Auch diesmal hat es sich gelohnt. Ich habe meine zu eng gewordene Pelle abgestreift und fühle mich heute in Kassel zur richtigen Zeit am richtigen Ort.
Dass auch mir Veränderungen bisweilen schwerfallen, erkennt man von außen nicht leicht. Doch ich bin weder leichtsinnig noch leichtfertig noch waghalsig. Ich denke nach und wäge die Konsequenzen ab, bevor ich springe. Mein Bauchgefühl spielt dabei eine wichtige Rolle. Ich reise gern alleine, habe ohne Angst ein abgelegenes Haus im Wald gehütet, eine Festanstellung gekündigt, ohne einen neuen Job in Aussicht zu haben, mich mit Ende Dreißig als Freie Journalistin selbständig gemacht und trotz vieler Unkenrufe und schwieriger Phasen bin ich nicht verhungert. Ich habe mich aus unguten Beziehungen verabschiedet und als Freiberuflerin unbefriedigende Kooperationen beendet, ohne zu wissen, wie schnell ich sie ersetzen kann. Es ging mir bei diesen Entscheidungen nie um den Kick, ums Adrenalin. Stattdessen um Freiheit, Lebensqualität und persönliches Wachstum. Wenn es soweit ist, muss ich einfach aufbrechen. Ich kann nicht anders. Dann bin ich aber auch bereit und in der Lage, die Konsequenzen zu tragen.
Wer mich gut kennt, weiß, dass ich Zitate liebe. Natürlich gibt es auch zum Thema Mut und Angst ein paar Zitate, die mich begleiten und im Zweifel erinnern, dass sich ein Aufbruch lohnt. Folgende Sätze gehören zu meinen Lieblingen:
Wirf dein Herz in den Fluss und spring ihm nach.
– Indigenes Sprichwort –
Nicht weil es schwer ist, wagen wir es nicht, sondern weil wir es nicht wagen, ist es schwer.
– Seneca –
Furcht ist eine Reaktion, Mut ist eine Entscheidung. – Winston Churchill –
Das Geheimnis des Glücks ist die Freiheit, und das Geheimnis der Freiheit ist der Mut.
– Perikles –
Mein Wert Nr. 3: Kreativität in allen Facetten
Ich mag es bunt und brauche kreative Abwechslung: Fotografie, Textcollagen, Nature Art, Steinbildhauerei, Zeichnen, ein bisschen Aquarell, hin und wieder alte Möbel aufarbeiten … Ich habe manches kreative Abenteuer gestartet und etliche stehen auf meiner Liste der Dinge, die es noch auszuprobieren gilt.
Auch für ein kreatives Leben braucht man Mut (siehe Wert Nr. 2). Jedes Projekt ist ein Aufbruch und kann krachend scheitern. Jeder neue Text kann misslingen und beim Experimentieren vergreift man sich schnell mal in Farbe oder Material. Anspruch und Können driften häufig schonungslos auseinander. Was hilft? Einfach ausprobieren. Weitermachen. Neu beginnen. Besser scheitern. Anspruch durch Freude und Neugier am Arbeitsprozess ersetzen.
Biografisch und auch beruflich bedingt ist Sprache meine größte kreative Spielwiese. Einerseits ist Journalismus natürlich Handwerk, andererseits auch harte Arbeit, im besten Fall Kunst. Ich freue mich wie Bolle, wenn ich durch einen kreativen Kniff für den gefühlt 789. Text über Pflegenotstand noch einen neuen Aufmacher finde und der Artikel nicht nur informativ und sachkundig wird, sondern sich noch flüssig liest und inspiriert. Und wenn es bei einem Thema mal ordentlich klemmt, dann hilft es mir, ein Gedicht zu schreiben oder mir ein neues Thema für eine Schreibwerkstatt auszudenken. Danach komme ich auch mit meinem Fachartikel wieder weiter. Kreative Methoden und Projekte helfen. Immer.
Ein großer Vorteil meiner Selbständigkeit ist, dass ich einen gewissen Einfluss auf die Themen nehmen kann, die ich bearbeite. Wird mir ein Themenblock oder Genre zäh, schlage ich ein Reportagethema vor, am besten eins, bei dem ich rauskomme und etwas ganz Neues lernen kann. Jetzt heißt es umschalten, denn statt Fachjargon brauche ich dafür Storytelling-Elemente und ein Gespür für Dramaturgie. Mein Hirn darf kreativ arbeiten und sich ins Abenteuer stürzen. Bildhaft denken, Fotos machen. Staunen. Ausprobieren.
Mein Vater hat einmal gesagt, dass ich ihn an Frederick aus dem Kinderbuch von Leo Lionni erinnere. Die Maus sammelt den ganzen Sommer über Farben, Worte und Sonnenstrahlen, die dann im Winter oder in schlechten Zeiten helfen. Das Buch ist tatsächlich bis heute ein Lieblingsbuch von mir. Vor einigen Jahren habe ich die Geschichte ins Plattdeutsche übersetzt. Einfach so, aus einer Laune heraus, und weil ich gerade die plattdeutsche Sprache für mich entdeckt hatte. Ich bin in Nigeria geboren, erst dort und dann in Bayern aufgewachsen, plattdeutsch sprach ringsum niemand.
Mein plattdeutsches Vokabular habe ich überwiegend aus Asterix-Bänden, plattdeutschen Kinderbüchern und einem Online-Wörterbuch. Plattdeutsch macht mir gute Laune, weil es eine unendlich kreative und bildhafte Sprache ist. Beispiele gefällig? Meine aktuell liebsten plattdeutschen Wörter heißen Plüschmors (Hummel), Ammerkacker (plattdeutsches Schimpfwort), Botterlicker (Schmetterling), Dickdodamper (Angeber), Fleitjepiepen (Pustekuchen!), Huulbessen (Staubsauger), Proppentrecker (Korkenzieher), Snutenhobel (Mundharmonika), Slackermaschü (Schlagsahne), Ackerschnacker (Handy) und Bangbüx (Angsthase). Schwupps sind wir wieder beim Thema Mut!






4 Antworten zu “Meine 3 wichtigsten Werte: Augenhöhe, Mut und Kreativität”
Liebe Esther, dein Blog ist wie du: kreativ, spannend, warmherzig, bunt, leuchtend, freundlich, abenteuerlustig, lebensfroh, facettenreich und macht neugierig auf viele Fortsetzungen. Ich freue mich, dass ich dich und deine Kreativität kennen lernen durfte und bin voll Vorfreude auf die nächste Schreibwerkstatt mit dir.
Liebe Marie Anne, wie schön von dir zu lesen! Und dann noch so ein großes Lob. Danke! Auch ich freue mich, dich wieder beim Schreiben zu treffen. Bis zum 23.8. also. Herzliche Grüße, Esther
Liebe Esther,
es macht so viel Spaß, über deine drei Werte zu lesen. Chapeau. Dieser Blogbeitrag ist der Beweis dafür, dass die Beschäftigung mit dem Thema Werte alles andere als trocken sein muss. Und dass du deinen Mut ganz besonders für Freiheit, Lebensqualität und persönliches Wachstum findest, feiere ich sehr. So isses bei mir auch.
Liebe Grüße
Cindy
Noch eine Gleichgesinnte… wie herrlich! Ich freue mich über deine Rückmeldung, liebe Cindy. Auch dir weiterhin viel Freude, Mut und Erfolg – beim Bloggen und Leben! Viele Grüße, Esther